Mein einziges Weihnachtsbuch 2015 habe ich von meiner Mutter geschenkt bekommen. Sie weiß, dass ich auch gerne Klassiker lese und suchte mir somit „Die schönsten Weihnachtsgeschichten“ aus dem Fischer Klassik Verlag heraus:
„Zu Weihnachten lauern die Geschichten an jeder Ecke. Der Countdown beginnt schon im November, wenn die Festtagsvorbereitungen anlaufen. Die Adventszeit ist voll Trubel, es kommt Besuch, und da zu Weihnachten noch mehr Besuch kommt, ist immer viel zu tun. Über allem liegt die erwartungsvolle Spannung, die wir aus Kindertagen kennen. So erzählen die Weihnachtsgeschichten in diesem Band von den Turbulenzen der Vorbereitung, den Erwartungen und Enttäuschungen, vor allem aber von den Hochgefühlen, die das Jahresende so unvergesslich machen.“
Die ausgesuchten Geschichten sind jeweils kurze Erzählungen von 2 bis ca. 25 Seiten, die auf insgesamt etwa 160 Seiten untergebracht sind. Die Mischung der Weihnachtsgeschichten ist sehr bunt, sowohl in Bezug auf die Autorenauswahl als auch auf ihre Inhalte. Da gibt es schöne und warme Geschichten, die einen in die erwartungsvolle Perspektive der Kinder entführt, aber auch traurige Geschichten bzw. Auszüge, die den Leser eher nachdenklich machen. Im Folgenden werde ich euch eine kleine Übersicht über die Kurzgeschichten und Erzählungen in der Anthologie geben.
1. Jean Paul: Weihnachts-Chiliasmus – neuer Zufall
Aus meiner Sicht ist das eine schlechte Geschichte, um in ein Weihnachtslesebuch einzusteigen. So langsam wie ich diese Geschichte gelesen habe und einzelne Sätze immer wieder wiederholt habe, so blieb mir der Sinn dieser Erzählung verschlossen. Einzelne Abschnitte gab es mit einem „Aha!“ – Effekt, der im nächsten Abschnitt aber sofort wieder der Verwirrung Platz machte. Eine Erzählung, die mich ratlos zurücklässt. Sie erinnerte dadurch etwas an Friedrich Schlegels „Lucinde“, einen klassischen Roman, der bei mir auch nur Fragezeichen hinterließ.
2. E.T.A. Hoffmann: Der Weihnachtsabend
Eine schöne warme und rührende Erzählung, in der es um die Bescherung geht und einen Nussknacker, den die Kinder geschenkt bekommen. Sie ist aus der Erzählung „Der Nussknacker“ von Hoffmann entnommen worden. Eine richtige Weihnachtserzählung.
3. Jeremias Gotthelf: Merkwürdige Reden, gehört zu Krebsligen zwischen zwölf und ein Uhr in der Heiligen Nacht
Humorvolle Geschichte, in der sich die Pferde über ihre Behandlung durch die Besitzer und Stallburschen unterhalten. Denn es gibt nur diese eine Stunde pro Jahr, in der die Tiere in menschlichen Zungen sprechen können und sogar Menschen sie verstehen. Ob sie zu einer Einigung kommen wie sie einer schlimmen Behandlung durch Menschen am besten begegnen? Klatsch und Tratsch gibt es zumindest auch bei den Tieren genug.
4. Adalbert Stifter: Die Glocken an weihnachten
Traurige kleine Erzählung von zwei Kindern, die auf dem Weg nach Hause sind und eine frostige Nacht in den Bergen verbringen müssen. Schön erzählt.
5. Adalbert Stifter: Weihnacht
Hier handelt es sich schon fast um philosophische Überlegungen zum Weihnachtsfest. Die Erzählung schließt mit einer schönen Darstellung der Unterschiede der Feier von Weihnachten in der Stadt und auf dem Land.
6. Theodor Storm: Marthe und ihre Uhr
Eine schöne Erzählung in der nicht nur das Weihnachtsfest eine Rolle spielt, sondern auch eine Uhr, die ein Eigenleben zu führen scheint. Sie hat mir gut gefallen. Auch sprachlich schön ausgestaltet.
7. Theodor Storm: Unter dem Tannenbaum
Diese Erzählung handelt von der Tradition, einen Tannenbaum zum Weihnachtsfest im Hause zu haben. Der Tannenbaum ist das Symbol für Heimat und für das Leben. Eine Geschichte, die mich gerührt hat.
8. Theodor Fontane: Die Feuersbrunst
Der Ausbruch eines Feuers wird als Hauptereignis an einem Weihnachtsabend genommen. Ein kleines Mädchen ist davon besonders fasziniert und setzt sich über das Verbot näher dranzugehen hinweg. Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte.
9. Theodor Fontane: Berg des Lichts
In dieser Erzählung bleiben wir bei dem Mädchen der vorherigen Erzählung, nur dass dieses nun einige Jahre älter geworden ist. Hier geht es um den christlichen Glauben und wie man diesen Glauben beschreiben und ausleben kann. Eine schon fast moderne Erzählung.
10. Theodor Fontane: Aber diesmal wird es eine Freude sein
Fontane verknüpft hier Weihnachtsüberlegungen mit Kriegsüberlegungen und bettet sie in Erziehungsmaßnahmen ein. Denn welcher kleine Junge bekommt Weihnachten nicht gerne Zinnsoldaten geschenkt und spielt damit?
11. Wilhelm Raabe: Professor Feyerabends Weihnachtstraum
Eine herrliche Traumgeschichte, in der der Professor zu einem alten Nussknacker wird und sich mit den anderen Figuren unterm Baum unterhält. Sehr schön ist auch das Ende gelöst, wenn die Traumwelt in der Realität des Professor Feyerabends aufgegriffen wird.
12. Machado de Assis: Die Weihnachtsmesse
Diese Erzählung verschlägt den Leser nach Südamerika. Der Protagonist will das erste Mal die Mitternachtsmesse besuchen, die ein großes Ereignis sein soll, kommt aber nicht wirklich von seinem Wohnhaus los. Denn eine Unterhaltung fesselt seine Gedanken und lässt sogar erotische Gedanken in ihm aufsteigen. Meiner Meinung nach sehr gelungen.
13. Peter Rosegger: Advent
In dieser Erzählung geht es in erster Linie um die Vorbereitungen, die im Advent getroffen werden. In einer sehr schönen Naturschilderung geht der Autor hierauf ein und endet mit einer Interpretation des Ausdrucks „Tauet Himmel ihr Gerechten.“ Lohnenswert.
14. Ludwig Thoma: Der Christabend
Eine Verkupplungsgeschichte, die in der Weihnachtszeit spielt und die anders ausgeht, als man meinen kann. Gleichzeitig bringt sie den modernen Gedanken auf, dass sich jede Frau selbst ihren Mann aussuchen sollte.
15. Rainer Maria Rilke: Das Christkind
Eine besonders rührende Erzählung, in der es sowohl um Waisenkinder, um Gewalt im Elternhaus als auch um die Einsamkeit eines kleinen Mädchens geht. Dieses Mädchen wird jedoch für mehrere Kinder zum Christkind und übermittelt ihnen so den Weihnachtsgedanken. Eine Geschichte, die ich gerne immer wieder lesen werde.
16. Thomas Mann: Weihnachten auf dem Zauberberg
Eine Erzählung, die im Zusammenhang mit dem ganzen Roman, dem sie entnommen ist, vermutlich besser funktioniert. Aber auch so entführt sie den Leser in die Kurwelt eines Bergkurheims in den Alpen, in dem mehrere Personengruppen aufeinandertreffen. Einsamkeit und Gemeinsamkeit erlangen immer wieder eine neue Bedeutung.
17. Walter Benjamin: Ein Weihnachtsengel
Eine Zusammenfassung der Erwartungen eines Kindes am Weihnachtsabend, bevor es in die gute Stube darf. Während seiner Fensterbeobachtungen, lässt es seine Gedanken auch in die Vergangenheit wandern. Den Beginn des Weihnachtsabends kündigt dann ein Engel an, der ihm kurz begegnet. Ich fand diese Erzählung etwas zu kurz gefasst. Schade.
18. Joseph Roth: Weihnachten in Cochinchina
Roth zeigt in seiner Erzählung auf wie sehr die Menschen Erlebtes prägt. An dieser Stelle zeigt er es anhand eines kleinen Jungen, der mit seiner Schulklasse einen Ausflug macht und dabei Bilder von Cochinchina betrachten darf. Diese Erinnerung reicht bis ins Erwachsenenalter, in dem er diesen Augenblick der gedanklichen Reise in die Ferne erneut nachgeben will.
19. Dylan Thomas: Weihnachtserinnerungen
Eine wunderbare Erzählung über Kinder, die Weihnachten noch draußen im walisischen Schnee verbringen und neben dem Weihnachtsfest selbst, noch Flausen im Kopf haben. Eine schöne Unterhaltungsgeschichte, die mir ein Schmunzeln entlockt hat.
20. Paul Nizon: Die weißen Strümpfe
Eine merkwürdige kleine Erzählung, in der es um eine Stripperin, einen möglichen Engel und eine Leiche gleichermaßen geht. Die weißen Strümpfe dienen hier als Erkennungssymbol. Eine Geschichte, die noch etwas nachhallt.